01.07.2013

die das Herz einer Frau zu treffen wissen

Sie wandte sich zu ihm hin. "Mein lieber Freund, für mich ist ein verliebter Mann aus der Zahl der Lebenden ausgestrichen. Er wird idiotisch, und nicht bloß idiotisch, sondern auch gefährlich. Mit Leuten, die wirklich in mich verliebt sind, gebe ich jeden Verkehr auf, denn sie langweilen mich und sind mir auch verdächtig, wie es ein rasender Hund ist, der vielleicht die Tollwut hat. Ich setze sie daher so lange in Quarantäne, bis ihre Krankheit vorrüber ist. Vergessen Sie das nicht. Ich weiß genau, daß bei Ihnen die Liebe nur eine Art von Hunger ist, während sie bei mir eine Art von... von seelischer Vereinigung sein müßte, die es aber leider bei den Menschen nicht gibt. Aber... sehen Sie mich einmal ruhig an..." Sie lächelte nicht mehr. Sie hatte ein ruhiges, kühles Gesicht und sagte, indem sie jedes Wort betonte: "Ich werde nie, nie ihre Geliebte sein, verstehen Sie mich? Es ist deshalb völlig zwecklos, es wäre sogar schädlich für Sie, wenn Sie bei ihrem Verlangen blieben... und jetzt, da... die Operation vollzogen ist, wollen Sie, daß wir Freunde sind, gute Freunde, aber auch wahre Freunde, ohne Hintergedanken?"
Er hatte begriffen, daß jeder Versuch unfruchtbar bleiben müßte vor dieser unerschütterlichen Entscheidung. Sofort faßte er offen seinen Entschluß und entzückt, hier vielleicht eine Freundschaft für seinen Beruf finden zu können, hielt er ihr beide Hände hin. "Ich bin der Ihrige, gnädige Frau, so wie Sie mich haben wollen."
Sie fühlte seine innerliche Aufrichtigkeit an der Stimme und gab ihm ihre Hände.
Er küßte eine nach der anderen und sagte dann aufrichtig, indem er den Kopf erhob: "Himmel, wenn ich eine Frau wie Sie gefunden hätte, mit welchem Glücksgefühl würde ich sie geheiratet haben."
Sie war diesmal gerührt.  Seine Worte liebkosten sie, wie alle Huldigungen, die das Herz einer Frau zu treffen wissen,  ihnen gefallen. Und sie warf ihm einen jener schnellen und dankbaren Blicke zu, durch die ein Mann immer erobert wird.
Dann, als er keinen Übergang fand, um die Unterhaltung wieder aufzunehmen, sagte sie mit weicher Stimme, indem sie einen Finger auf seinen Arm legte: "Ich werde sofort mein Amt als Freundin beginnen. Wissen Sie, mein Lieber, daß sie ungeschickt sind?"
Sie machte eine Pause und fragte: "Darf ich offen sprechen?"
"Ja."
"Ganz und gar?"
"Ja."
"Nun wohl! Besuchen Sie Frau Walter, die sie schätzt und suchen Sie ihr zu gefallen. Bei ihr können Sie auch Ihre Komplimente anbringen, obgleich sie anständig ist - verstehen Sie wohl? unbedingt anständig! Ich weiß, daß Sie auf der Zeitung eine untergeordnete Stellung einnehmen. Aber fürchten Sie nichts, man empfängt dort alle Redakteure mit dem gleichen Wohlwollen. Gehen Sie hin, glauben Sie mir."
Er sagte lächelnd: "ich danke Ihnen, Sie sind ein Engel, ein Schutzengel." Dann sprachen sie über andere Dinge.
Er blieb lange, er wollte ihr zeigen, daß es ihm Vergnügen mache, bei ihr zu sein und als er sie verließ, fragte er noch:" Also ist es abgemacht, wir sind Freunde?"
"Es ist abgemacht."
Und da er sich des Eindrucks, den er auf sie gemacht hatte, wohl bewußt war, fügte er noch hinzu:
"Wenn sie jemals Witwe werden, lasse ich mich vormerken."
Dann aber ging er schnell hinaus, damit sie nicht erst Zeit fand, zornig zu werden.

Belami - Guy de Maupassant

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