21.03.2013

Gold, Gold, Gold


Sie dachten nur daran, daß siebenhunderttausend Pfund in Gold irgendwo unter dem Schatten dieses Baumriesen vergraben sein müßten. Die Gedanken an das Gold verdrängte den Schrecken, den das Skelett und die Geisterstimme geweckt hatten. Ihre Augen glühten, ihre Pulse pochten, ihr Atem ging rasch, die Füße vergaßen alle Müdigkeit. Ihr ganzes Innere war erfüllt von dem einzigen Gedanken: Gold, Gold, Gold wollten sie haben, sogleich auf der Stelle, um damit zu leben, wie der reiche Mann im Evangelium, "alle Tage herrlich und in Freuden."

Silver hinkte grollend auf seiner Krücke hinter den andern her. Die Hitze belästigte ihn und die Fliegen machten ihm das Lebens sauer. Vergeblich schlug er nach ihnen, wenn sie sich ihm saugend und stechend ins Gesicht setzten. Dann riß er wütend an der Leine, mit der er mich immer noch wie einen Hund leitete, und von Zeit zu Zeit sah er mich mit einem wahren Mörderblick an. Er gab sich also nicht die geringste Mühe, seine Gedanken zu verbergen und ich las sie ihm vom Gesicht ab, als wären sie mit großen Buchstaben hineingeschrieben. Die unmittelbare Nähe des Goldschatzes ließ ihn alles vergessen, seine großen Versprechungen und die Warnungen des Doktors vergingen wie Spreu im Winde und ich durfte nicht daran zweifeln, daß er nach der Besitznahme des Goldschatzes auch die Hispaniola ausfindig machen würde. Ihm war zuzutrauen, daß er, unter dem Schutze der Nacht, allen rechtschaffenen Menschen auf der Insel die Gurgel abschnitt und dann beladen mit Gold und Verbrechen das offene Meer erreichte. Solche Gedanken erschütterten mich gewaltig, so daß ich Mühe hatte, mit den voranstürmenden Schatzgräbern Schritt zu halten. Manchmal stolperte ich und fiel, dann riß Silver heftiger an der Leine und blickte mich bitterböse an. Mir graute es vor diesen Mörderaugen. 

"Die Schatzinsel" von Robert Louis Stevenson

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