15.09.2010

das Holz spielte mit


Er orderte sich seine Damen und bestellte sie wieder ab, behandelte sie wie Leibeigene, rückte sie hin und her wie Schachfiguren, die Villa war mindestens sechsmal größer als meine Alt-Treptower Mietwohnung, und doch schien er die Stille nicht zu kennen, die unter meinen tiefen Decken im Hochparterre lastete, das Ticken des Sekundenzeigers, nachts um halb drei.

"Karen ist die beste Freundin deiner Mutter. Glaubst du etwa, die heirate ich?"

Bereits den Vorgänger von Karens Filmemacher hatte meine Mutter, als bloßen Kifferkünstler abtuliert, der das Bauen von Joints für Kunst halte, was meine Mutter den Beinamen Eliteniete gebracht hatte, der von ihr wiederrum mit Biedertiger pariert worden war, und immer so fort. Für meinen Vater hatte das offenbar keine Gültigkeit, die letzten Jahre waren in seinem Bewusstsein einfach nicht angekommen, einen Moment horchte ich nach, ob er nicht doch "beste Feindin" gesagt hatte.

"Hier ist mein Plan: Zunächst rasierst du dir eine Tonsurglatze, dann trinkst du dir einen Bierbauch an und schließlich meidest du die Sonne. Wenn du dann kahl, fett und blass bist, hast du ganz schnell deine Ruhe!"

Ich setzte den Fuß wieder auf die Schwelle, bewegte ihn vor und zurück, das Holz spielte mit, quietschte hoch, quietschte tief, verstummte erst, als ich das Gewicht auf die Fersen verlagerte.

"Ist da noch jemand?"
"Für wen ziehst du dich denn immer so großartig an?"
Ich wies auf den passgenauen anliegenden Anzug, dessen Kaschmirwolle selbst im Dunkeln noch schimmerte. "Es erwartet doch niemand, dass du allein bist. Sag es mir einfach, sprich endlich mit mir!"

"Du brauchst dringend wieder eine Freundin, dann ist dir alles egal."

Etwas drückte hinter meinen Augäpfeln und wollte nach außen, mein Vater ging auf mich zu, klopfte mir auf den Rücken, es klang als schlüge Holz auf Metall.
"Mach endlich mal Licht!"

Er streifte sein Jackett von den Schultern, der feine Stoff entlud sich in winzigen, blau knisternden Funken; in Anzughose und Haifischkragenhemd stand mein Vater zwischen dem Spiegel und mir.

"Das erotische Talent meines Vaters" - Björn Kern

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