31.12.2009

Unzucht


Das erste, was ich wahrnehme, ist Tanjas abgestandener Atem. Ihr Mund steht offen, zwischen ihren Zahnreihen klebt ein Speichelfaden.
Ich stelle zu meiner Überraschung fest, dass es noch hell ist, die genaue Uhrzeit kann ich allerdings nicht ermitteln. Mein Kiefer schmerzt, als ob ich stundenlang auf Metall gebissen hätte; meine Kehle ist staubtrocken; mein Magen leer und wund; über allem liegt ein dumpes Schuldgefühl.
Eigentlich hatte ich bis morgen bleiben wollen, aber das ist gänzlich undenkbar geworden. Ich muss hier so schnell wie möglich weg. Noch ist der Abturn erst im anrollen, leckt mit seinen grauen Zungen gerade mal an den Rändern meiner Selbstschutzanlagen. Aber wenn die Hauptlast über mir zusammenschlägt, will ich zwischen meinen Leib und dieses Zimmer den größtmöglichen Abstand gebracht haben.
Vorsichtig schlage ich die Decke zurück, stemme mich in die Höhe und beginne meine Sachen zusammenzusammeln.
Ich würde mich am liebsten im Badezimmer oder in der Küche anziehen, möchte aber Petra nicht begegnen. Und so wähle ich stattdessen die Ecke des Zimmers, die zum Futon die größte Entfernung aufweist.
Tanja wird trotzdem wach. Ich bin gerade dabei, mir die Schuhe zuzubinden, als sie die Augen aufschlägt.
"Willst du weg?"
"Ich muss"

"Unzucht" - Jan Off

Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen