20.12.2009

Hamlet

König (im Schauspiel).
Ich glaub, Ihr denket jetzt, was Ihr gesprochen,
Doch ein Entschluss wird oft von uns gebrochen.
Der Vorsatz ist ja der Erinnerung Knecht,
Stark von Geburt, doch bald durch Zeit geschwächt.
Wie herbe Früchte fest am Baume hangen,
Doch leicht sich lösen, wenn sie Reif' erlangen.
Notwendig ist's, dass jeder leicht vergisst
Zu zahlen, was er selbst sich schuldig ist.
Wo Leidenschaft den Vorsatz hingewendet,
Entgeht das Ziel uns, wann sie selber endet.
Der Ungestüm sowohl von Freud' als Leid
Zerstört mit sich die eigne Wirksamkeit.
Laut klagt das Leid, wo laut die Freude schwärmet,
Leid freut sich leicht, wenn Freude leicht sich härmet.
Die Welt vergeht: es ist nicht wunderbar,
Dass mit dem Glück selbst Liebe wandelbar.
Denn eine Frag ' ist's, die zu lösen bliebe,
Ob Lieb' das Glück führt oder Glück die Liebe.
Der Große stürzt: seht seinen Günstling fliehn.
Der Arme steigt und Feinde lieben ihn.
So weit scheint Liebe nach dem Glück zu wählen.
Wer ihn nicht braucht, dem wird ein Freund nicht fehlen,
Und wer in Not versucht den falschen Freund,
Verwandelt ihn sogleich in einen Feind.
Doch um zu enden, wo ich ausgegangen,
Will und Geschick sind stets in Streit befangen.
Was wir ersinnen, ist des Zufalls Spiel,
Nur der Gedank ist unser, nicht sein Ziel.
So denk, dich soll kein zweiter Gatt erwerben.
Doch mag dies Denken mit dem ersten sterben.

"Hamlet" - William Shakespeare

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