22.02.2009

Sie protestierte allerdings nicht

"Eleanor also - die damals noch nicht trank, bloß sehr schüchtern und nervös war - hatte gerade das Haus in Lacoste gekauft und sie beschwerte sich bei David, was für eine furchtbare Verschwendung es sei, dass die einfach vom Baum fielen und auf der Terrasse verrotteten. Am nächsten Tag, als wir alle draußen saßen, fing sie wieder davon an. Ich sah, wie Davids Gesicht kalt wurde. Er streckte die Unterlippe vor - das ist immer ein schlechtes Zeichen, halb brutal und halb eingeschnappt - und sagte: Kommt mit. Es kam mir vor, als müssten wir dem Schuldirektor in sein Büro folgen. Er marschierte mit großen Schritten auf den Feigenbaum zu, Eleanor und ich stolperten hinterher. Als wir hinkamen, sah man überall auf den Steinplatten Feigen verteilt. Manche waren schon alt und zerquetscht, andere waren gerade aufgebrochen und Wespen tanzten um die Wunde oder knabberten am klebrigen rotweißen Fruchtfleisch. Es war ein riesengroßer Bau, und es lagen viele Feigen am Boden. Und dann tat David etwas höchst Erstaunliches. Er befahl Eleanor, such auf alle viere niederzulassen und alle Feigen von der Terrasse zu essen."
"Was, vor deinen Augen?", fragte Bridget mit großen Augen.
"Ganz recht. Eleanor sah auch ziemlich verwirrt aus und - verraten ist wohl das richtige Wort. Sie protestierte allerdings nicht, sondern machte sich an ihre unappetitliche Aufgabe. Und David erlaubte ihr nicht eine einzige auszulassen. Einmal sah sie flehentlich zu ihm auf und sagte: Jetzt habe ich genug gegessen, David, aber er stellte ihr den Fuß in den Nacken und antwortete: Schön ausessen. Wir wollen doch nicht, dass etwas verkommt oder?"
"Ab-artig", sagte Bridget.

"Schöne Verhältnisse" von Edward St Aubyn

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